Die deutschen Landschaften und Stämme. 43
Friesen, der unserer Kriegs- und Handelsflotte die trefflichsten Matrosen liefert,
der durch seine Deichbauten dem Meer den fruchtbaren Schwemmlandboden der
Marschen abgerungen, ihn mit Gehöften und Dörfern besiedelt hat und durch muster-
hafte Feldwirtschaft zu Wohlstand, ja Reichtum gelangt ist.
Das ganze Westelbische Gebiet erfüllen, abgesehen von den Inseln und Küsten-
strichen, die Niedersachsen, der größte und wichtigste Volksstamm des Tieflands.
Der vielfach von dürrer Geest oder ödem Moor gebildete Boden zwingt zu harter,
wenig lohnender Arbeit, verlangt große Wirtschaftsgebiete und begünstigt die Einzel-
siedlung. So manche Charaktereigenschaften des Niedersachsen erklären sich hieraus,
so namentlich sein gemessenes Wesen, seine Vorsicht, seine ernste, ruhige Gemütsart,
seine Einfachheit und Bestimmtheit auf der einen Seite, Selbstbewußtsein und hoher
praktischer Sinn, gepaart mit starker Freiheitsliebe, auf der andern Seite, Eigen-
schaften, die in der ruhmvollen Geschichte der Niedersachsen von Hermann dem Che-
ruskersürsten bis zu den Befreiungskriegen und namentlich in den berühmten Staats-
männern und Geschichtschreibern, die diesem Boden entsprossen sind (Stein, Har-
denberg, Bismarck; Möser, Schlosser, Niebuhr, Curtius), glänzend hervortreten.
Dagegen war der sächsische Boden für Entfaltung der Künste weniger günstig.
(Hebbel und Reuter.)
Ebenfalls zum großen Teil von Sachsen besiedelt jist -das Ost-
elbische Land; es war seit dem Ausgang der Völkerwanderung slavisch, ja selbst
über die Elbe hinaus in das Gebiet der Altmark und des Obermains waren Slaven
gedrungen und seßhaft geworden. Unter den großen Sachfenkaifern und später unter
den Hohenstaufen begann die Wiedergermanisierung des Ostens, das größte
nationale Werk des deutschen Volkes im Mittelalter, das indessen noch heute nicht
vollendet ist. Polen bevölkern noch großenteils Oberschlesien, Posen und West-
Preußen, Teile des frühern Königreichs Polen; gegen hunderttaufend Mafuren
sind in Ostpreußen seßhaft, ebenso die noch etwas zahlreichern Litauer. Diese
gehören dem Stamm der Letten an, der den Slaven verwandt ist. Die Kolo-
nisation des überwiegend deutschen Ostpreußen war das große Werk des Deutsch-
ritterordens.
Erwerbszweige. Im Ostdeutschen Tiefland (Ostelbien) überwiegt die
Land Wirtschaft. Roggen- und Kartoffelbau waltet in den n. Provinzen vor, ge-
mifchter Anbau in Schlesien, und zwar in beiden Gebieten vorherrschend in Form
des Großgrundbesitzes. In hoher Blüte stehen namentlich Branntweinbrennerei
und Pferdezucht. Doch entfaltet auch die Industrie mehrorts eine bedeutsame
Wirksamkeit. Abgesehn von den großen Werften an der Küste, blüht die Tuch-
industrie besonders in der Mark Brandenburg, so in Luckenwalde, Kottbus, Guben,
dann in Görlitz in Schlesien; Berlin selbst ist die größte Industriestadt des Reiches.
Staßsurt hat große Salzlager, die Provinz Posen Braunkohlenlager, die Samland-
küste liefert Bernstein, Rügen Kreide.
Im Westdeutschen Tiefland wird an der Kultivierung der Moore eifrig
gearbeitet. (S. I S. 56.) Mehrfach sind auch schon in öder Landschaft wohlhabende
Moorkolonien (Fehnkolonien) aufgeblüht. Das glänzendste Beispiel ist Papenburg
in Hannover. Auch die Heide weicht mehr und mehr der Kultur. Große Strecken
werden aufgeforstet oder berieselt und verbessert. Bei Lüneburg und Stade trifft
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Extrahierte Personennamen: Hermann Bismarck Niebuhr Curtius Hebbel Reuter Bernstein
54 Einzelgebiete.
Strom, nicht Teutschlands Grenze" (Arndt), ja in der Glanzzeit deutscher Herrlichkeit im
Mittelalter floß er, wie ein zeitgenössischer Geschichtschreiber sich ausdrückt, „mitten durch
Deutschland". Die Rheinlande waren im Mittelalter der Hauptsitz deutscher Kultur und
deutscher Kaiserherrlichkeit. Bei Mainz oder in Frankfurt wurden die Kaiser gewählt und zu
Aachen gekrönt; die Rheinstraße entlang zogen sie über den Splügen nach Italien, um sich
die römische Krone zu holen; in der alten Reichsstadt Speyer endlich fanden viele von ihnen
ihre letzte Ruhestätte. Den Rhein entlang (des Reiches Psaffengasse) saßen die mächtigsten
geistlichen Kurfürsten, die Erzbischöse von Mainz und Köln. In den rheinischen Städten
feierte das Rittertum seine glänzendsten Feste, dichtete Gottfried von Straßburg fein
glühendes Epos und sang Heinrich Frauenlob seine zarten Minnelieder. Längs der ver-
kehrsbelebten Rheinstraße erblühten mächtige Reichsstädte mit einem selbstbewußten,
gewerbe- und handelstätigen Bürgertum. Machtvoll trat der Rheinische Städtebund
dem ungerechten Treiben der Ritter und Fürsten entgegen. Herrliche Dome, stolze Fürsten-
schlösser und starke Waffenplätze entstanden; hier wurde die Buchdruckerkunst erfunden. Erst
durch den politischen Zerfall Deutschlands im 30 jährigen Krieg und die Raubzüge Lud-
wigs Xiv. ward der Rhein „Deutschlands Grenze", bis er mit der Wiederaufrichtung des
Deutschen Reichs 1871 aufs neue „Deutschlands Strom" wurde.
Tas Maingebiet (Franken) in der Geschichte. Den Main entlang bestanden jähr-
hundertelang große geistliche Herrschaften, die Bistümer Bamberg und Würzburg;
Bamberg hochverdient durch die Christianisierung flavischer Völkerschaften im O., Würz-
bürg berühmt durch die Pflege der Wissenschaften und der christlichen Charitas. Am Main
liegt auch Frankfurt, der alte Handelsmittelpunkt. — In dem verkehrsreichen Franken-
land mit seinen zum Burgenbau einladenden Felsenhöhen fand das Rittertum einen
nur zu günstigen Boden, und das gewalttätige Regiment desselben beförderte hauptfäch-
lich die Erhebung der Bauern i. I. -1525. Neben der hohen Geistlichkeit und dem Adel
tat sich auch das Bürgertum in den Reichsstädten Frankens rühmlich hervor, allen
Städten der Welt voran im Nürnberg des sechzehnten Jahrhunderts, wo Bischer, Dürer,
Kraft und Hans Sachs weithin Ruhm erlangten.
In den Zeiten schwacher Kaiserherrschaft hatten auch die Frankenlande alle Leiden
der politischen Verelendung Deutschlands zu tragen. Die Mainftraße entlang zogen im
30 jährigen Krieg die Heere Gustav Adolfs und zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Truppen
des korsischen Cäsars. Noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts galt die „Main-
linie" sehr mit Unrecht als eine natürliche Scheidewand zwischen Nord- und Süd-
deutschend. Das Mainland ist indes weit mehr eine „Brücke" zur Verbindung von
Nord und Süd, und sein blühendes Berkehrsleben verdankt es vor allem diesem glück-
lichen Umstand.
Und welch glanzvolle fränkische Namen weist die Geschichte der deutschen Dichtkunst
auf! Franken ist die Heimat des gedankenreichsten Sängers der höfischen Poesie, Wolframs
von Eschenbach, und das Mainland schenkte uns Goethe. Im letzten Jahrhundert wurden
hier Friedrich Rückert, Graf Platen und Jean Paul geboren.
Schwaben in der Geschichte. Mit den Franken wetteifert in geschichtlicher Bedeutung
der wackere Stamm der Schwaben. Nicht weniger als vier große Herrscherhäuser hat er dem
deutschen Volk gegeben: die Staufer und die Welfen, die Hohenzollern und die Zäh-
ringer. Dem stark ausgeprägten Freiheitssinn des Stamms ist die Entstehung der
vielen freien Reichsstädte zuzuschreiben. Mit der Freiheitsliebe des Schwaben paart
sich seine altbewährte Tapferkeit, die Uhland in der Schwäbischen Kunde treffend zeichnet.
Die Schwaben galten als so wehrhaft und streitbar, daß sie die Vorfechter des Reichsheeres
bildeten und das Vorrecht genossen, immer das Reichsbanner in den Kampf zu tragen,
eine Ehre, die bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts bei Württemberg verblieben ist.
Mit diesen echt männlichen Zügen vereinigt das schwäbische Volk jene wundersame
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Extrahierte Personennamen: Arndt Gottfried_von_Straßburg Heinrich_Frauenlob Heinrich Hans_Sachs Gustav_Adolfs Gustav Adolfs Cäsars Wolframs
von_Eschenbach Goethe Friedrich_Rückert Friedrich Jean_Paul
Extrahierte Ortsnamen: Mainz Frankfurt Aachen Rheinstraße Italien Rhein Mainz Rheinstraße Deutschlands Rhein Main Bamberg Main Frankfurt Franken- Frankens Deutschlands Mainland Nord Mainland Schwaben Schwaben Schwaben Württemberg
Die Zeit Wenzels (1378 — 1400) und Ruprechts (1400 — 1410.)
81
und wurden reich durch Handel und Gewerbe; unter ihnen nahmen Danzig und Thorn die erste Stelle ein. Deutsche Bauern und Gutsbesitzer wurden angesiedelt und ernteten zumal in den fruchtbaren Weichselniederungen reichen Ertrag. Der Orden führte eine gute Verwaltung, hatte bedeutende Einnahmen und gewann großen Reichtum, während er zugleich nach außen machtvoll dastand.
Allmählich aber wandelten sich die Dinge. Die Ritter halten keine Verfall. Heiden mehr zu bekämpfen, zumal seit die angrenzenden Litauer Christen geworden waren, und allmählich griffen Trägheit, Genußsucht und Schwelgerei im Orden um sich. Dazu waren die Ordensritter wegen ihres Hochmuts bei den Bürgern der Städte und den Landedelleuten nicht beliebt, und gar mancher Untertan des Ordens hielt es heimlich mit den Polen, den Feinden des Ordens und des Deutschtums. Zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts brach ein neuer Krieg mit Polen aus, das seit kurzem mit Litauen zu einem großen Reich verbunden war; und in der Schlacht bei Tannenberg 1410 wurde der Orden geschlagen, der Hochmeister und viele Ordensritter fielen, von den Ordenskomturen entkam nur einer. Zwar gelang es dem Feinde nicht, die Marienburg zu nehmen, und für dieses Mal wurde der Orden gerettet. Aber einige Jahrzehnte später brach der Krieg von neuem aus, und der Orden mußte 1466 im Frieden von Friede von Thorn nicht nur Westpreußen abtreten, sondern auch den Rest seines 1466! Besitzes vom König von Polen zu Lehen nehmen. So unterlag damals der deutsche Staat, der die Wacht an der Weichsel hielt, den slavischen Gegnern, weil ihn das deutsche Reich, Kaiser und Fürsten, im Stich ließen.
§ 84. Die Schweizer Eidgenossenschaft. Während sich die Lage der Bauern fast überall im Deutschen Reiche im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert verschlechterte, waren in den Alpentälern am Vierwaldstätter See Bauernstaaten entstanden, welche alle Versuche sie zu unterwerfen zurückwiesen und sich durch ihre kriegerische Tüchtigkeit zu einer machtvollen Stellung emporschwangen. Seit der Schlacht am Morgarten hatte sich die Eidgenossenschaft sehr vergrößert; acht „Orte" gehörten jetzt dazu, dabei die beiden Städte Zürich und Bern. 1386 zog wiederum ein Herzog Leopold von Österreich aus, um die Eidgenossen dem Hause Habsburg zu unterwerfen; aber wiederum erlitt sein Ritterheer bei Sempach eine Schlacht bei furchtbare Niederlage. Nach der Sage war es Arnold von Winkelried, @i386?* der die Schlacht entschied; soviel feindliche Speere, als er ergreifen konnte, erfaßte er, drückte sie sich mit den Worten: „Sorgt für mein Weib und meine Kinder!" in die Brust und bahnte so den Seinigen eine Gasse in die
Neubauer, Beschicht!. Lehrbuch. B. Hi. 6. Aufl. Q
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Extrahierte Personennamen: Leopold_von_Österreich Leopold Arnold_von_Winkelried
62
Die deutsche Kaiserzeit 919 —1260.
mußte die letzte Feste der Christen im heiligen Lande, Akkon, geräumt werden.
Die geistlickikn Auch die geistlichen Ritterorden mußten nun das Feld ihrer Tätig-' feit anderswohin verlegen. Der deutsche Orden hatte schon vorher die Eroberung Preußens begonnen; der Sitz des Ordensmeisters wurde die hochragende Marienburg an der Nogat. Der Johanniterorden siedelte zuerst nach der Insel Rhodus, später, als ihn der türfische Sultan Suleiman in der Reformationszeit von dort vertrieb, nach Malta über. Dort hat der Orden geherrscht, bis Napoleon auf seiner Fahrt nach Ägypten die Insel besetzte.
Der Tempelorden fand ein frühes Ende. Er reizte durch seinen Reichtum die Habgier des Königs Philipp des Schönen von Franf-retch; von diesem gedrängt, hob zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts der Papst den Orden auf.
Deittschland im dreizehnten Jahrhundert.
Das Lehns- z 8 67. Das Rittertum. In jenen Jahrhunderten beherrschten das
tücf Clt
Lehnswesen und das Rittertum bei den Nationen des Abendlandes alle Verhältnisse des Lebens. Das Lehnswesen bestand, wie wir wissen, darin, daß Grundstücke, Grafschaften, Rechte jeder Art von dem obersten Lehnsherrn, dem König, den Belehnten gegen einen Eid der Treue und des Gehorsams verliehen wurden. Zunächst galt die Belehnung nur für die Person des Belehnten; aber im Laufe der Zeit war die Anschauung allgemein geworden, daß die Lehen zu erblichem Besitz verliehen würden. Der Belehnte sonnte die Lehen wieder an andere verleihen. Der Lehnseid verpflichtete vor allem dazu, dem Lehnsherrn im Kampfe bewaffnet, beritten und mit einem reisigen Gefolge beizustehen. Also konnten nur Ritter belehnt werden. Diese bildeten jetzt die Heere; die Bauern, die zur Zeit Karls des Großen so schwer unter der Last der Wehrpflicht gelitten hatten, wurden jetzt nur in Notfällen, zur Landesverteidigung, aufgeboten. Es war eine scharfe Scheidung der Nation in einen Wehr st and, welcher herrschte, und einen Nährstand, welcher beherrscht wurde, eingetreten.
Der ritterliche Dieser ritterliche Berufsstand bildete den Adel der Nation; damals Sl6ei" saniert die Geschlechtsnamen und die Wappen auf. Die Kreuzzüge, in denen deutsche neben französischen, italienischen, englischen Rittern fochten, hatten bewirkt, daß sich die Ritter der gesamten abendländischen Christenheit als eine große Genossenschaft mit bestimmten Bräuchen und Sitten und mit Ritterliche gemeinsamen Pflichten fühlen lernten. Auch eine besondere ritterliche Er-wun8-sie^ung 6iibete au§ Wer eines Ritters Sohn war und sich dem
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Extrahierte Personennamen: Suleiman Napoleon Philipp Karls
66
Die deutsche Kaiserzeit 919 — 1250.
fortwährend zu. Die Gebiete der großen Vasallen wurden immer mehr zu wirklichen Staaten; Fehden und Kriege zwischen den Reichsständen wurden immer häufiger, und es fehlte der Richter, der schlichtend und ^Äschen"strafend hätte einschreiten können. Auch die äußere Macht des Reiches nach^ahm ab. Wo in jener Zeit das deutsche Schwert gegen äußere Feinde sich kraftvoll erwies, war es selten der König, der es führte. Die deutsche Hanse, der Bund niederdeutscher Städte, machte dem deutschen Namen auch jetzt noch Ehre und erwarb sich gerade in jenen Tagen des Verfalls der Königsmacht gewaltiges Ansehen; der deutsche Ritterorden leistete Großes für das deutsche Wesen; aber als die Städte und der Orden in Not kamen und von Fremden bedrängt wurden, kamen ihnen Kaiser und Reich nicht zu Hilfe. Ober- und Mittelitalien ferner, die seit Otto dem Großen für der Hoheit des deutschen Königs untertan gegolten hatten, gingen Deutschland verloren. Ja, auch deutsche Lande lösten sich vom Reiche los: die Schweiz z. B. wurde ein selbständiges Land. So brachte denn die Zeit seit dem Interregnum eine zunehmende Auflösung des deutschen Rei
8-69. Volkswirtschaft. Ackerbau, Gewerbe und Handel. Während aber das deutsche Staatswesen seinem Verfall entgegenging, erblühte die Landwirt-deutsche Volkswirtschaft und wuchs der deutsche Wohlstand. Die Land-Wnft‘ wirtschaft zunächst hatte große Fortschritte gemacht. Deutschland, vor 4—500 Jahren mit Ausnahme der Rheinlande größtenteils ein Waldland, war jetzt ein Land blühender Fluren, das mit zahlosen Dörfern besetzt war. Die Rheinebene von Basel bis Mainz war immer noch der am besten angebaute Teil, der „Gartengermaniens"; aber auch in Sachsen und anderen Gebieten des Reiches war der Urwald gelichtet, auf den Rodungen waren Ansiedlungen entstanden, und die Bauern waren, wenn auch zumeist unfrei und ihren Herren zur Zinszahlung verpflichtet, vielfach wohlhabende Leute.
Kolonisation. Ja, weit über die Elbe hinaus, die so lange die Grenze des deutschen Landes gebildet hatte, wohnten deutsche Bauern, welche die Waldbäume gefällt und den Boden urbar gemacht hatten. Brandenburg, Pommern, Schlesien, Preußen und Teile Böhmens waren durch deutsche Ritter, Mönche, Bürger und nicht am wenigsten Durch deutsche Bauern dem Deutschtum gewonnen worden; selbst in dem fernen Siebenbürgen entstanden deutsche Ansiedlungen.
Gewerbe. Neben der Landwirtschaft erblühte das Gewerbe. Hinter den Mauern der Städte war das Handwerk emporgeblüht, das, in viele Zweige sich verteilend, die mannigfachsten Bedürfnisse befriedigte. Die
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Extrahierte Personennamen: Otto
Extrahierte Ortsnamen: Mittelitalien Deutschland Deutschland Rheinlande Basel Mainz Sachsen Brandenburg Pommern Schlesien
80 Die Zeit der zunehmenden Auflösung des Reichs 1273—1519.
Hafenstraße noch heute den Namen deutsche Brücke trägt, in London, wo sich die deutschen Kaufleute im Stahlhof zusammenfanden, ihre Speicher und Kontore hatten und sich selbst Recht sprachen. Damals lag der gesamte Großhandel von der Newa bis zur Themse und Schelde in deutschen Händen.
Niedergang Es ist begreiflich, daß sich die nordischen Völker gegen eine solche Macht er 1 ' der Hanse auflehnten und sie von sich abzuschütteln suchten. Aber erst seit
dem Ende des Mittelalters nahm die Bedeutung des Bundes ab. Damals begannen die nordischen Staaten, vor allen England, innerlich zu erstarken. Für den Bestand der Hanse war ferner der Umstand schädlich, daß eine Reihe von Städten, so z. B. Berlin-Kölln, von ihren Landesherren gezwungen wurden, aus dem Bunde auszutreteu. Dazu kam, daß ihr der starke Schutz des deutschen Königs fehlte; denn die Könige jener Zeit waren entweder zu ohnmächtig oder zu sehr mit ihren eigenen Interessen beschäftigt, als daß sie für das Gedeihen des deutschen Handels Sinn gehabt hätten. So ist es gekommen, daß die Hanse, obwohl sie noch lange fortbestand, immer machtloser wurde. Selbst der Ostseehandel kam in späteren Jahrhunderten in die Hände der Holländer und Engländer; noch viel weniger konnten die deutschen Kaufleute daran denken, sich an dem Handel nach Amerika und Indien zu beteiligen, wo andere Völker damals Kolonien gründeten und reichen Gewinn ernteten.
§ 83. Der Staat des deutschen Ritterordens. Zu einer Zeit, wo im übrigen der Ritterstand im Verfall begriffen war, hat der deutsche Ritterorden einen Staat aufgerichtet, der ein Jahrhundert hindurch fest und geschlossen, reich und mächtig dastand; es gelang ihm ein großes Gebiet an der Ostsee für das Deutschtum und das Christentum zu gewinnen, ein Gebiet, das später eins der Kernlande für die norddeutsche Großmacht Preußen werden sollte.
Eroberung Unter Kaiser Friedrich Ii. hatte der Hochmeister Hermann von Preußen^. hon einem polnischen Herzog eingeladen, die ersten Deutschritter
zum Kampfe mit den Preußen ausgesandt. Diese lagen mit ihren Gren>-nachbarn in fortwährendem Kriege; sie waren Heiden, die ihre Götter in heiligen Hainen verehrten und ihnen Bernsteinfeuer anzündeten. Nun entstanden Ordensburgen im Preußenlande. Nach etwa fünfzigjährigen Kämpfen war die Eroberung Preußens vollendet, die Urbewohner waren unterworfen und hörig gemacht. Der Sitz des Hochmeisters wurde die Blütezeit Marienburg, die heute mit ihren hohen Backsteinmauern und säulen-Ordens. getragenen Hallen wieder ausgebaut worden ist. Deutsche Städte entstanden
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Extrahierte Personennamen: B._Berlin-Kölln Friedrich_Ii Friedrich Hermann_von_Preußen^
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Extrahierte Ortsnamen: Dorfts Gottes Berlin Berlin Itlolsdorf
— 183 —
sandle sofort eine ansehnliche Summe an Schillers Gattin, wobei er freilich bemerkte, daß er sich aus eine bestimmte Erhöhung der Pension „alleweile" nicht einlassen könne.
Rückkehr: Obwohl Schiller und seiner Gemahlin die Tage
in Erfurt angenehm verflossen, suhlten sich beide doch nicht ganz wohl hier. Sie sehnten sich nach der eigenen Häuslichkeit und kürzten deshalb den noch auf längere Zeit berechneten Aufenthalt ab. — Ihre Abreise erfolgte am 1. Oktober. (Nach Albert Pick.)
64. Französische Emigranten in Erfurt.
Ihre Ankunft: Die französischen Ausgewanderten, die in
den Rheinstädten eine Zuflucht gefunden halten, flohen bei Au-nährnng der Franzosen weiter ins deutsche Land hinein. Dabei wählten viele Erfurt als neuen Wobnsitz, da man ihnen von befreundeter Seite die Stadt vorteilhaft geschildert hatte.
Seit Anfang 1795 kamen sie in großer Zahl hier an. Unter ihnen waren viele, die einst eine glänzende Rolle gespielt Hatten. Ehemalige Erzbischöse, Bischöfe, Aebte und dergleichen kamen zum Brühlertor hereingepilgert, und säst alle boten einen herzzerreißenden Anblick dar. Mit Bündelchen auf dem Rücken und mit zerrissenen und zerlumpten Kleidern hielten sie ihren Einzug. Einer von ihnen erzählte mit heilerer Miene, daß er nichts anderes gerettet habe als die Bibel, die er unter dem Arm trug. Tatsächlich hatten viele nicht einen roten Heller mehr in der Tasche; sie wußten nicht, wo sie einen Bissen Brot hernehmen, womit sie ihr Schlasgeld bezahlen sollten. Piele gingen barsuß, und dabei war es mitten im Winter. Sie erzählten auch, daß manche unterwegs liegen geblieben und erfroren wären.
Ihre Lebensweise: Mitte Februar waren, wie durch Be-
auftragte des Rates festgestellt wurde, schau über 1000 Vertriebene in der Stadt. Man räumte ihnen die Schottenkirche zum Gottesdienst ein. In ihr wurde von jetzt ab französisch gepredigt. Besonders ernst und streng begingen sie die heilige Woche. Viele speisten die ganze Zeit hindurch kein Fleisch. Alle Speisen, die sie genossen, mußten mit Cel geschmelzt sein, weil ihnen selbst die Butter verboten war. Auch erschienen viele in schwarzen Kleidern, die sie in den letzten Tagen gar nicht mehr ablegten.
Gezwungene Beschäftigung: Mancher von den Emigranten, der einst bessere Tage gesehen halte, war gezwungen, sich seinen Lebensunterhalt durch Anfertigung kleiner Handarbeiten zu verdienen. So verkaufte bei der Feier der Peterkirmfe (Sonntag nach Ostern) auf dem Roßmcirkle (Herrmannsplatz) ein ehemaliger französischer Herzog Handkörbchen, Schächtelchen und Kästchen, die er selbst aus Pappe angefertigt hatte. Von seinem Stand aus rief er den Vorübergehenden sorlwäbrend zu: „Achetez des corbeilles
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Iii. Bus der Geschichte Erfurts von 1§00 ad.
Stellung Erfurts zu Mainz und Sachsen und zum Reich: Um den Aufruhr der niederen Schichten der Bevölkerung, die durch die Straßensperre während der Streitigkeiten der Stadt mit Mainz und Sachsen (s. Nr. Ii) in große Not geraten waren, abzuwenden, hatte der Rat den Frieden von Amorbach und Weimar geschlossen (1483). In der Amorbacher Urkunde erkannte er das Mainzer Erzstist als den „rechten Erbherrn" an, dieses aber ließ Erfurt bei allen seinen Obrigkeiten, Herrlichkeiten, Gnaden, Freiheiten, Rechten und Gewohnheiten, die ziemlich bedeutende waren; denn außer der Erhebung des Marktzolls, der Freizinsen und eines geringen Anteils an der Gerichtsbarkeit standen dem Erzbischos keine weiteren Rechte mehr zu. Trotzdem war der Amorbacher Vertrag ein großer Sieg des Erzbischoss. Seine Anerkennung als „rechter Erbherr" der Stadt durch den Rat machte eine Entwicklung Erfurts zur völligen Unabhängigkeit von Mainz für die Zukunft unmöglich. Durch den Weimarer Vertrag aber, der Erfurt unter die Schutzherrschaft Sachsens brachte und ihm eine Steuer von fast unerschwinglicher Höhe auslegte, wurde geradezu eine Doppelherrschaft von Kurmainz und Kurfachfeu über die Stadt geschaffen und ein Zustand herbeigerührt, der in der Folge zu weiteren Kämpfen beider Gewalten um den Besitz Ersurts führen mußte. — Von 1417 bis 1471 war Erfurt als Reichsstadt angesehen worden, wie seine Ladungen zu den Reichstagen beweisen. Durch die Belehnung des Rates und der Bürgerschaft mit dem Reichslehen Kapellendorf (1352) war das Reich Erfurts „rechter Herr" und jene „des Reiches liebe Getreue" geworden; Erfurt hatte feit dieser Zeit den Königen die Lehenshuldigung geleistet, die zugleich die Hoheitshuldigung in sich schloß. Ta nun Kapellendorf auch nach 1483 der Stadt verblieb, fo war scheinbar nichts an der unmittelbaren Verbindung Erfurts mit dem Reiche geändert worden; aber wie schon oben gesagt, war es durch den Amorbacher Vertrag der Stadt unmöglich, sortan sich der anerkannten Macht des Erzstifts zu entziehen und in die Reihe der Reichsstädte einzutreten.
Geldnot Erfurts: Beide Verträge hatten über Erfurt eine
große Schuldenlast gebracht, die noch durch die in dieser Zeit eintretende allgemeine Geldentwertung bedeutend vergrößert wurde. Letztere hatten ihren Grund in der außerordentlich starken Ausbeutung der Edelmetalle im Harz und im sächsischen und ungarischen Erzgebirge und in dem Hereinfluten des überseeischen Gol-
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bett prächtigen, zweistöckigen (Srfer, der in feinem giebelcirtigen Abschluß fast benfelben Ansban wie der stattliche Türeingang zeigt. i Der 3vjährige Krieg: Wie aber schon gesagt, hielt bic
Besserung der Verhältnisse nicht an; durch den 30jährigen Krieg, in dem Erfurt furchtbar zu leiben hatte, würde fein Wohlstanb voliftänbig vernichtet (f. Das Erfurter Laub im 30jährigen Kriege, Nr. 47). Von den großen Heerführern biefer Zeit, sah die Stadt nur den Schwebenkönig Gustav Aböls, der am 22. September 1731 einritt (f. Nr. 48, 49, 50 u. 51). Er zeigte sich sehr hulbvoll und schenkte Erfurt viele Kloftergiiter; auch der Universität nahm er sich warmherzig an. Durch eine Verfügung vom 9. Oktober 1632 aus Nörblingen überließ er Erfurt alle weltlichen Rechte, die einst dem Erzbischof zugeftanben hatten, den Mainzer Hof, die fünf Kiichenbörfer, die beiben Stifter, 8 Klöster und enblich die noch dem katholischen Gottesbienste geweihten Pfarrkirchen. Er wollte die Stadt „für die dem evangelischen Wesen treu geleistete Assistenz" belohnen und zur Wieberaufrichtung der „fast gar zerfallenen uralten Akabemie" beitragen, zu bereu Förberung er schon im Jahre vorher der Stadt das Negier Kloster überwiesen hatte. Der Oberhoheit behielt der König sich freilich „in alleweg" vor. Doch schon der Prager Friebe 1635 brachte eine Aenberung der Erfurt so günstigen Verhältnisse. Der Kurfürst und die Klöster traten nach dem Abzüge der Schweden wieber in ihren alten Be-sitzsianb ein, ebenso würden die beiben Stiftskirchen von den
Evangelischen geräumt. Die Universität, welche auch die ihr zugelegten Kloftergiiter wieber verlor, sank in den alten traurigen
Zustanb zurück; benn der Rat war nicht imstanbe, ihr den Verlust aus eigenen Mitteln zu becken. Zwar kehrten die Schweden
unter Bauer schon im folgenben Jahre in die Stadt zurück, nachdem sie biefetbe am 19. Dezember heftig beschossen hatten (f. Nr. 52); aber sie kümmerten sich nicht um ihre Verwaltung. Der Rat konnte nach eigenem Ermessen schalten und walten, und auch dem Kurfürsten von Mainz, feinen Beamten und der katholischen Geistlichkeit sicherten die Schweden die Erhaltung ihrer Güter und Rechte zu. Die ihnen gänzlich überlassene Eyriaksburg würde ebenso wie die Stadt aufs neue befestigt. Den hohen und starken Turm am Brühler Tor ließen die Schweden nieberreißen, auch legten sie den Wall weiter zurück, um die Burg mehr von der Stadt zu entfernen und biefe ihr unterzuorbnen. — Währenb der noch übrigen Dauer des Krieges finb die Schweden in Erfurt geblieben. Der letzte Teil der fchwebifchen Besatzung hat sogar erst 2 Jahre nach dem Friebensschlnß die Stadt verlassen, die nun auch baran beulen konnten, das Friebensfest zu feiern, herzlich froh, daß die schreckliche Kriegszeit enblich vorüber war (f. Nr. 53, 54, 55).
Innerhalb des balb 20jährigen Aufenthaltes der Schweden, in welcher Zeit die Stadt boliftänbig frei von Mainz gewesen,
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
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